Rechtsgutachten belegt unmissverständlich: Positivliste für Heimtiere wäre rechtswidrig |
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Prof.
Dr. Dr. Tade Matthias Spranger von der Rechtswissenschaftlichen
Fakultät der Universität Bonn hat im Auftrag des Zentralverbands
Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. (ZZF) eine Gutachterliche
Stellungnahme zur rechtlichen Zulässigkeit der Einführung einer
nationalen Positivliste für Heimtiere unter besonderer Würdigung
verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Aspekte verfasst.
Das
Rechtsgutachten kommt auf 167 Seiten zu einer klaren Einschätzung: Die
Einführung einer nationalen Positivliste für Heimtiere, so wie sie
zuletzt von Bundesminister Cem Özdemir vorgeschlagen wurde, würde
umfassend gegen verschiedene Vorgaben des Völker-, Europa- und
Verfassungsrechts verstoßen. Würde die Bundesrepublik Deutschland eine
nationale Heimtier-Positivliste einführen, so wäre die Einleitung eines
Vertragsverletzungsverfahrens insbesondere durch die Europäische
Kommission vorgezeichnet.
Prof. Dr. Dr. Tade Matthias Spranger
Auch eine Positivliste auf der
Ebene der Europäischen Union wäre nicht mit dem Europarecht vereinbar.
Eine Heimtier-Positivliste ist unabhängig davon europarechtswidrig, ob
Urheber einer solchen Liste der deutsche Gesetzgeber oder aber die
Europäische Union selbst ist, verdeutlicht der Rechtsprofessor.
Spranger
lehrt in den Bereichen Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht sowie
Deutsches und Internationales Recht der Biotechnologie. Ehrenamtlich
wurde er als Kommissionsmitglied in die Tierschutzkommission durch das
Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes
Nordrhein-Westfalen berufen. Zu seinen zahlreichen Publikationen zählt
das 2018 von ihm publizierte Werk Heimtierhaltung und
Verfassungsrecht.
Bei der Vorstellung seines Gutachtens am
17. Juni 2023 betonte Spranger: Ich bin der felsenfesten Überzeugung,
dass die Ergebnisse, die ich erarbeitet habe, Hand und Fuß haben. Der
Untersuchung sollte daher im politischen Diskurs erhebliche
Aufmerksamkeit zuteilwerden.
Das Gutachten ist auf der Webseite www.tierwohl-statt-heimtierverbot.de frei verfügbar als pdf auf Deutsch und auf Englisch.
Die
englische Version ist mir sehr wichtig, damit das Gutachten auch auf
der europäischen Ebene seine Wirkung entfalten kann, verdeutlicht
Spranger. Das deutschsprachige Gutachten und die englische Übersetzung
erscheinen zusammen in einem Buch, welches im Juli im LIT-Verlag
veröffentlicht wird.
Die Finanzierung wurde neben dem ZZF
ermöglicht durch den Industrieverband Heimtierbedarf (IVH), die European
Pet Organization (EPO), den Bundesverband für fachgerechten Natur-,
Tier- und Artenschutz (BNA), die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie
und Terrarienkunde (DGHT), den Verband für das Deutsche Hundewesen
(VDH), den Verband der Zoologischen Gärten (VdZ), den Zoo Leipzig, die
Citizen Conservation Foundation (CC), die Wirtschaftskammer Österreich
Zoofachhandel (WKO) sowie die Wirtschaftsgemeinschaft Zoologischer
Fachbetriebe (WZF).
Das
Gutachten legt dar, dass eine nationale Positivliste bereits das von
Deutschland unterzeichnete und ratifizierte Europäische Übereinkommen
zum Schutz von Heimtieren verletzen würde und damit völkerrechtswidrig
ist. Das Übereinkommen enthalte ein klares Bekenntnis zur privaten
Tierhaltung, zur Tierzucht und zum Tierhandel und betont die Bedeutung
der Heimtiere wegen ihres Beitrags zur Lebensqualität und ihres daraus
folgenden Wertes für die Gesellschaft.
Auf der Ebene des
EU-Rechts stelle eine nationale Positivliste eine Verletzung der
Grundfreiheiten und hier insbesondere der Warenverkehrsfreiheit dar.
Die behaupteten Gefahren durch >>Gefahrtiere<< erfüllen
nicht die Anforderungen, die der Europäische Gerichtshof an den Schutz
der >>öffentlichen Sicherheit und Ordnung<< geknüpft hat.
Ebenso ist der abstrakte Hinweis auf Zoonosen nicht dazu angetan, eine
nationale Positivliste unter Hinweis auf den Schutz der Gesundheit und
des menschlichen Lebens zu rechtfertigen, heißt es in der
Zusammenfassung des Gutachtens. Und weiter: Anders als im öffentlichen
Diskurs mitunter dargestellt, bewirkt die Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofes zur >>belgischen Positivliste<<
insoweit keine Umdeutung von Tierwohlgesichtspunkten.
Ganz im Gegenteil
steht diese Rechtsprechung einer nationalen Heimtier-Positivliste
diametral entgegen. Aspekte des Biodiversitätsschutzes seien ebenfalls
nicht geeignet, Eingriffe in die Warenverkehrsfreiheit zu rechtfertigen.
Unabhängig davon, dass Belege für positive Biodiversitätseffekte einer
Positivliste ohnehin fehlen, zeige die Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes, dass der Begriff der Biodiversität dort im Sinne einer
genetischen Vielfalt bestimmter Nutztierrassen verstanden wird.
Neben
der Warenverkehrsfreiheit würde auch die Dienstleistungsfreiheit
verletzt, sobald Dienstleister aus dem EU-Ausland entsprechende Angebote
rund um die Heimtierhaltung in Deutschland nicht mehr anbieten dürfen.
Eine
Umgehung der beschriebenen rechtlichen Grenzen für den deutschen
Gesetzgeber durch die alternative Implementierung einer EU-Positivliste
ist nicht möglich. Insbesondere fehlt es der Europäischen Union bereits
an einer tragfähigen Rechtssetzungskompetenz für den Tierschutz,
erläutert Prof. Spranger. Tierschutzrechtliche Kompetenzen der Union
bestünden vor allem im Bereich der Agrarpolitik. Das Unionsrecht selbst
kenne kein allgemeines Tierschutzrecht und das Heimtier-Übereinkommen
des Europarates wurde durch die EU selbst weder unterzeichnet, noch
ratifiziert. Eine unionsweite Positivliste würde die Berufsfreiheit
verletzen und je nach Ausgestaltung auch die Eigentumsgarantie sowie das
Diskriminierungsverbot.
Eine nationale Positivliste verstoße
darüber hinaus gegen verschiedene Grundrechte und Verfassungsprinzipien
des Grundgesetzes. Die entsprechenden Verletzungen lassen sich nicht
unter Hinweis auf ein verfassungsrechtliches Gebot für ein Tätigwerden
aus Art. 20a GG (Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere)
stützen, da es sich hierbei um eine reine Staatszielbestimmung handelt.
Verletzt
werde zum einen die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs.1 GG. Zum anderen
bewirke eine Heimtier-Positivliste ungerechtfertigte Eingriffe in das
Allgemeine Persönlichkeitsrecht, sowie je nach konkreter gesetzlicher
Ausgestaltung in die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) sowie das
allgemeine Gleichbehandlungsgebot bzw. Diskriminierungsverbot (Art. 3
Abs. 1 GG).
Eine nationale Heimtier-Positivliste wäre darüber
hinaus unverhältnismäßig, da mildere Mittel gleicher Wirksamkeit zur
Verfügung stehen. Die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Nachteile
sogenannter Negativlisten existieren bei objektiver Betrachtung nicht.