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ZZF-Symposium: Tiergerechte Kaninchenhaltung von vielen Variablen abhängig

Kaninchen sind die beliebtesten Kleinsäuger in Deutschland. Insgesamt halten die Deutschen 2,7 Millionen Heim-Kaninchen. Über das Sozialverhalten der Tiere sowie die richtige Haltung und Fütterung existieren jedoch sehr unterschiedliche Meinungen.

Aus diesem Grund setzte der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. (ZZF) das Thema „Wie man Kaninchen hält, weiß doch jeder!?“ auf die Agenda seines 24. ZZF-Symposiums.



v. l. Moritz Spies, MSc, Dr. Madlen Ziege, Prof. Dr. Petra Wolf, Dr. Michaela Fels, Dr. Jutta Hein, Prof. Dr. Steffen Hoy und Dr. Dr. Dieter Selzer
Gemeinsam mit dem Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt), dem Bundesverband der beamteten Tierärzte (BbT) und der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) hatte der ZZF am 19. und 20. Oktober nach Kassel eingeladen.


In einer Umfrage des Veranstalters bewerteten die Teilnehmer die Veranstaltung als gut (Note: 1,7).

ZZF-Präsident Norbert Holthenrich eröffnete das ausgebuchte Fachsymposium und hieß 130 Tierärzte, Zoofachhändler und andere interessierte Besucher willkommen. Er freute sich über das große Interesse an aktuellen Erkenntnissen in der Kaninchenernährung und -haltung.

„Davon ausgehend können unsere Haltungssysteme auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls über neue, noch tiergerechtere Lösungen nachgedacht werden“, sagte der Verbandspräsident.

Dr. Stefanie Schmidtke, Vorsitzende FG Kleintierpraxis des bpt, wies in ihrem Grußwort darauf hin, dass die Kaninchen zu den anspruchsvollsten Heimtieren gehören: „Es ist ein Trugschluss, dass sie bequem zu halten sind. Daher gibt es einen verstärkten Fortbildungsbedarf der Tierärzte.“

Dr. Christine Bothmann, Vizepräsidentin des BbT, dankte dem ZZF, mit dem Symposium eine interdisziplinäre Plattform geschaffen zu haben, auf der die Fachwelt „nicht im akademischen Dünkel herumdümpelt“. Sie halte es für wichtig, die tiergerechte Haltung von Nutz- und Heim-Kaninchen gleichermaßen zu betrachten.

Der TVT-Vorsitzende Dr. Andreas Franzky dankte dem ZZF für die Konzeption eines „so fachkompetenten“ Symposiums. Er wies auf den deutlichen Erkenntnisgewinn in der Kaninchenhaltung in den vergangenen Jahrzehnten hin: „Früher wurde noch diskutiert, ob Kaninchen Wasser brauchen. Da sind wir heute weiter und werden hoffentlich auf dieser Veranstaltung weiteres Wissen erwerben.“

„Das Kaninchen – ein ganz ‚normales‘ Säugetier“ hieß der Eröffnungsvortrag der Fachtierärztin für Kleintiere, Dr. Jutta Hein. Sie ging mit Vergleichen zu verwandten Tiergruppen auf Besonderheiten der Anatomie und Physiologie von Kaninchen wie das fragile Skelett mit kleinem Brustkorb ein.



130 Personen nahmen an der ZZF-Fachtagung teil.
Die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Kleinsäuger der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft machte auch auf problematische Zuchtformen aufmerksam: „Angorakaninchen benötigen viel Pflege, weil es sonst zu Hauterkrankungen und Störungen der Thermoregulation kommen kann. Außerdem sind bei Zuchtformen mit kurzem Kopf Zahn- und Kieferprobleme vorprogrammiert.“


Zudem hält Dr. Hein Studien für notwendig, die prüfen, inwieweit die hängenden Ohren bei Widderkaninchen die Entstehung von aufsteigenden Infektionen begünstigen und zudem deren Heilung verhindern.

Dr. Dr. Dieter Selzer stellte die Domestikationsgeschichte, die Nutzung der Kaninchen sowie unterschiedliche Rassen von Kaninchen in den Mittelpunkt. Der Tierschutzbeauftragte und Landeszuchtwart im Landesverband Hessen-Nassau der Rasse-Kaninchenzüchter verortete die eigentliche Domestikation ins südfranzösische Klosterleben des 6. Jahrhunderts.

Kaninchen seien besonders anpassungsfähig, weshalb sie gezähmt und gezüchtet wurden – zunächst als Fleisch-, Pelz- und Wolllieferant. „Bei uns kommt dem Kaninchen heute eine wesentlich größere Bedeutung als Heimtier und Familienmitglied zu“, bemerkte Dr. Dr. Selzer.

Dr. Michaela Fels sprach über die Herausforderung der Gruppenhaltung von Zuchthäsinnen unter landwirtschaftlichen Praxisbedingungen.

In einer Studie in einem landwirtschaftlichen Praxisbetrieb wurde untersucht, inwiefern die Gruppenhaltung von Zuchthäsinnen unter bestimmten Voraussetzungen realisiert werden kann.

Dabei beobachtete die Fachärztin für Tierverhalten und Tierschutzkunde an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover sowohl soziopositives Verhalten als auch aggressive Interaktionen zwischen den Tieren und dass die Gruppen nicht stabil blieben.

„Häsinnen in Dreiergruppen, welche an Tag 18 re-gruppiert wurden, wiesen einen ähnlich geringen Verletzungsgrad auf wie einzeln gehaltene Tiere“, informierte Dr. Fels.

Sehr kleine Gruppen mit ausreichend Ausweichmöglichkeiten könnten jedoch eine Alternative zur Einzelhaltung darstellen. Sie plädierte dafür, das Management einer Gruppenhaltung von Kaninchen weiter zu untersuchen. Eine Studie zur paarweisen Haltung sei in Arbeit.

Wie Wildkaninchen in der Großstadt leben, referierte die Diplom-Biologin Dr. Madlen Ziege (Universität Potsdam). Durch ihre Forschungsarbeit kam sie zu der Erkenntnis, dass Wildkaninchen je nach Lebensraum weniger oder häufiger einzeln beziehungsweise in der Gruppe leben.

Der suburbane Lebensraum entspreche den Habitatansprüchen des Europäischen Wildkaninchens besonders gut. Gründe dafür seien der Zugang zu schützender Vegetation und Nahrung in nächster Nähe: „Im Gegensatz zu ländlichen Gebieten ist hier ein geringerer Prädationsdruck durch natürliche Beutegreifer wahrscheinlich“, sagte Dr. Ziege.

Mit zunehmendem Grad der Urbanisierung würden die Dichten der Wildkaninchen zu- und die Bautenkomplexität abnehmen, die Gruppen würden kleiner, die Kommunikation via Latrinen (Kot- und Urinabsetzstellen) innerhalb der Gruppe nehme ab, die entsprechende Kommunikation mit benachbarten Gruppen an den jeweiligen Reviergrenzen werde dagegen intensiviert. Die Tiere bewegten sich im Stadtgebiet in kleineren Räumen von circa 0,5 Hektar.

Prof. Dr. Steffen Hoy von der Justus-Liebig-Universität Gießen ging in seinem Vortrag auf Tierschutz- und Verhaltensaspekte in der Kaninchenhaltung ein. Wild- und Heim-Kaninchen leben in sozialen Verbänden.

Allerdings sei die Gruppenhaltung von Häsinnen mit Jungen durch viele Probleme gekennzeichnet, wie Verhaltensstörungen, hohe Jungtier-Sterblichkeit, schwierige Gesundheitskontrolle, hohes Risiko von Gesundheitsproblemen (Kokzidiose) und hohe Kosten.

In der experimentellen Gruppenhaltung habe man erkannt, dass Voraussetzungen für eine funktionierende Gruppenhaltung eine elektronische Identifikation, also ein Chip im Ohr, und ein elektronisch zu öffnender Nestzugang nach Identifikation der jeweiligen Häsin seien. Damit könne jede Häsin selbst entscheiden, ob sie in ihrem individuellen Bereich bleibe oder sich in den Gruppenbereich begeben wolle.

Schaue man sich die aktuellen Haltungspraktiken und die rechtlichen Rahmenbedingungen an, so sei festzuhalten, dass die Einhaltung der Vorschriften durchaus tierschutzrelevante Probleme zur Folge haben könne.

Im Jahr 2014 in Kraft getreten, werden in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung erstmals Vorgaben für die Haltung von Kaninchen getroffen. „Die Übergangsfristen müssen genutzt werden, um die bisherige Haltungstechnik durch neue zu ersetzen“, betonte Prof. Dr. Hoy.

Die geforderten größeren Flächen, die entstehenden Kosten sowie das Mehr an Tierwohl müssten sich letztendlich im Preis für Kaninchenerzeugnisse niederschlagen. „Sonst wird eine konkurrenzfähige Kaninchenerzeugung in Deutschland nicht mehr möglich sein.“

Hoy informierte, dass zurzeit ein Kombisystem für Häsinnen und ein Kaninchenpark für Mastkaninchen untersucht würden. Die Gruppenhaltung von Häsinnen mit Jungen werde hingegen in absehbarer Zeit nicht praxisreif werden, ist der Wissenschaftler überzeugt.

Bereits in seiner Begrüßung hatte ZZF-Präsident Norbert Holthenrich darauf aufmerksam gemacht, dass die Branche nur dann Tierhalter richtig beraten und geeignete Wohnaccessoires und Gehege entwickeln könne, wenn es eindeutige Erkenntnisse zum Sozialverhalten der Kaninchen gebe.

Der ZZF habe daher an der Justus-Liebig-Universität Gießen ein Forschungsprojekt unterstützt, dem zwei Fragestellungen zur Haltung von Kaninchen zugrunde lagen: 1. Ist eine tierschutzgerechte Einzelhaltung möglich? und 2. Wie können Kaninchen tiergerecht in der Gruppe gehalten werden?

Unter der wissenschaftlichen Betreuung von Prof. Dr. Steffen Hoy hatte Moritz Spies, MSc, die Einzel- beziehungsweise Gruppenhaltung von Kaninchen untersucht und bewertet. Dabei führten die Forscher im ersten Teil der Studie unterschiedliche Verhaltenstests mit 157 Tieren durch.

 Ein Teil der Kaninchen wurde zudem regelmäßig für eine bestimmte Zeit aus dem Gehege genommen und gestreichelt, um den sozialen Kontakt zum Halter zu simulieren. „Wir konnten zeigen, dass die Einzelhaltung im Vergleich zur Gruppenhaltung keine Veränderungen in den standardisierten Testsituationen, also keine Verhaltensunterschiede, zur Folge hatte“, sagte Spies.

Signifikante Unterschiede zeigten sich hingegen zwischen den Tieren, die keinen beziehungsweise regelmäßigen Kontakt zum Menschen hatten. Je länger dieser dauerte, desto zutraulicher wurden die Kaninchen.

„In unserer Untersuchung stellte somit die Einzelhaltung kein tierschutzrelevantes Problem dar. Die Ergebnisse zeigen aber auch die hohe Verantwortung des Tierbesitzers für das Wohlergehen der von ihm betreuten Tiere“, resümierte Spies. Gerade wenn weitere Kaninchen als Sozialpartner fehlten, komme dem Menschen eine wesentliche Rolle zu.

Im zweiten Teil der Studie, in der mit 42 Paaren adulter, unkastrierter männlicher Kaninchen gearbeitet wurde, kamen die Forscher zum Ergebnis, dass das Aufstellen von Rückzugsboxen dazu beitragen könne, Konflikte unter den Tieren zu entschärfen.

Heu, Frisch- und Mischfutter

Prof. Dr. Petra Wolf, Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik an der Universität Rostock, referierte über die „Fütterung des Kaninchens – zwischen Sinn und Unsinn“. Dabei ging sie auf das Angebot von Heu, den Einsatz von Getreide, den Zusatz von Additiven zum Futter zur Prophylaxe von Blasensteinen sowie auf ein separates Wasserangebot ein.

„Für Kaninchen ist es überaus wichtig, Futter mit entsprechend großen Faserstrukturen, wie sie etwa in Heu vorhanden sind, zu fressen“, sagte Prof. Dr. Wolf. Sei dies nicht der Fall, suchten sich die Tiere alternative Fasern, zum Beispiel Haare. Auch für den Zahnschmelz und den Abrieb der Zähne seien strukturwirksame Fasern günstig.

Die Referentin betonte, die Halter müssten qualitativ hochwertiges Heu füttern und dieses täglich erneuern. Das gelte auch für Frischfutter. Diese beiden Komponenten empfiehlt Prof. Dr. Wolf durch Mischfutter zu ergänzen, um eine ausreichende Mineralstoffversorgung zu gewährleisten.

Eine rege Podiumsdiskussion, in die neben den Referenten auch die Teilnehmer der Fachtagung einbezogen waren, schloss das Symposium ab. Hier wurden Themen wie die Funktion von Latrinen, das Grabebedürfnis von Kaninchen oder die Desinfektion von Gehegen angesprochen und vertieft.

Einen großen Raum nahm die Diskussion zur Einzel- und Gruppenhaltung ein. Die Diskutanten zogen das Fazit, dass das Gelingen einer Einzel- oder Gruppenhaltung von vielen Variablen abhänge. Die Untersuchung an der Justus-Liebig-Universität liefere interessante Zahlen und sei ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Gerade für den Heimtierbereich müsse jedoch weiter geforscht, gegebenenfalls auch in Citizen Science Projekten, und beispielsweise die Zusammensetzung der Tiergruppe verändert werden. Alle Referenten betonten die wichtige Rolle des Tierhalters für ein tierschutzgerechtes Leben der Heim-Kaninchen.



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